Der miese Stil des Sebastian Kurz ARMIN THURNHER — 17.03.2021
Ein Jahr Seuchenkolumne, das gäbe Stoff für ein ganzes Jahr der Revision. Ich will gar nicht anfangen, die Sachen zu lesen, sonst verbeiße ich mich gleich in mir selber. Derweil bin ich überwältigt von den Reaktionen, die mich aufforderten, weiterzumachen oder mir für den Entschluss danken, es zu tun. Danke! Es wird dauern, bis ich alles beantwortet habe.
Einer war weniger zufrieden. Der Epidemiologe murrt. Robert Zangerle von der Med Uni Innsbruck schrieb mir, er sei enttäuscht. Er habe auf ein Sabbatical gehofft. Ich könne aufhören, wenn ich nur wolle, ich müsse es nur wirklich wollen. Tja, er hat mich durchschaut. Ich will eh nicht aufhören, und ich fürchte, er fürchtet, ich schleppe ihn damit zu weiterer Tätigkeit mit. Recht hat er. Halb zog ich ihn, halb sank er hin. Aber wir brauchen ihn!
Das muss man schon sagen: hätten alle, die sich jetzt im Impfschimpfkonzert wichtig machen, seine Beiträge in der Seuchenkolumne gelesen, würden sie vielleicht anders reden. Ich weise aus aktuellem Anlass darauf hin, dass man, scrollt man in dieser Kolumne nach unten, dort sowohl in der Gesamtkolumne als auch in den Beiträgen Zangerles suchen kann . Man suche zum Beispiel nach Janssen, so heißt die Impfstofffirma von Johnson und Johnson, und man wird sehen, das Zangerle auf diesen Corona-Impfstoff schon hinwies, als unsere beamteten und selbsternannten Seuchenzamapanos noch nicht einmal wussten, dass sie auch diese Bestellung vermasseln können.
Diese Seuche hat ein paar sehr üble Dinge über unser Land gebracht.
Ich will keine Reihung an Miesigkeit aufstellen, denn wie der langjährige Viennale-Präsident und legendäre Filmproduzent Eric Pleskow, ein von den Nazis vertriebener Österreicher, den ich meinen Freund nenne durfte, zu sagen pflegte: Es ist überall ein bissl mies.
Außerdem ist die Reihung egal, denn alle drei Dinge, die ich heute als mies qualifiziere, hat Bundeskanzler Kurz über uns gebracht.
Miesigkeit 1. Erstens ist es schäbig, die Pandemie zu nutzen, um gegen Europa zu polemisieren. Nicht nur zu polemisieren, sondern in Allianz mit fragwürdigen illiberalen Rechten eine rücksichtslose Agenda zur Renationalisierung zu betreiben, die sogar einen alten schwarzen Loyalisten aus dem Stall von Novomatic, EU-Budget-Kommissar Johannes Hahn, dazu bringt Widerspruch anzumelden.
Die EU hat sich bei der Impfstoffstrategie nicht mit Ruhm bedeckt, aber ein Teil des Problems dieser mangelhaften Bedeckung waren EU-Chefs wie Kurz, die vollkommen auf jede Impfstrategie pfiffen, weil sie sich schon im Licht am Ende des Tunnels sonnten. Sie versuchten im Gegenteil, mit ihren Sparsamkeitssprüchen eine „Schuldenpolitik“, sprich kreditfinanzierte europäische Corona-Hilfe, möglichst klein zu halten und zu behindern. Immer im sicheren Oberwasser segelnd, dass die Länder des Südens nicht aus ihren Schuldenfallen entlassen werden dürfen; Schulden, die sie gern bei den Finanzinstitutionen des Nordens haben. „Koste es was es wolle“ galt natürlich nur für die nationale Tasche.
Österreich hat sich bei der Bestellung des Impfstoffs vergriffen, weil es unter anderem zuviel AstraZeneca Impfstoff bestellte, weil das der bei weitem billigste Impfstoff war – und die Kosten für Impfstoff zahlen die EU-Mitglieder selbst. AstraZeneca war aber deswegen so billig, weil er die ärmeren Länder der Welt instand setzen sollte, sich damit einzudecken. Das war zwingende Auflage bei der Finanzierung der Forschung. Vom globalen moralischen Impfdebakel ist hierzulande sowieso nie die Rede.
Miesigkeit 2. Ohne jede Ahnung in Impfstoffpolitik, -Strategie und Planung ernennt sich Kurz zum Impfstoffoberbeauftragten der Republik, bekommt aber angeblich nicht mit, was um ihn herum vorgeht. Zumindest tut er so. Es ist mehrfach bemerkt worden, was das bedeutet: Entweder hat er eine Ahnung und stellt sich nur blöd, dann ist er ungeeignet für sein Amt. Oder er hat wirklich keine Ahnung, was um ihn herum so läuft, kann aber nichts dagegen machen, dann ist er erst recht ungeeignet.
Miesigkeit 3. Im Wissen um seine trotz Abschmelzens noch immer herausragenden Umfragedaten nützt Kurz die krankheitsbedingte Abwesenheit von Gesundheitsminister Anschober, um diesen öffentlich per Pressekonferenz zu attackieren, indem er die Suspendierung von dessen Impfbeauftragten fordert. Diesen Clemens Martin Auer, ebenfalls seit beginn der Pandemie in der Seuchenkolumne kritisiert, hatte Kurz 2017 selbst zum mächtigen Gesundheitssonderbeauftragten in einem Ministerium gemacht, das er der FPÖ zwecks Verlotterung überlassen hatte.
[Fortsetzung in nächsten Kommentar]
Einer war weniger zufrieden. Der Epidemiologe murrt. Robert Zangerle von der Med Uni Innsbruck schrieb mir, er sei enttäuscht. Er habe auf ein Sabbatical gehofft. Ich könne aufhören, wenn ich nur wolle, ich müsse es nur wirklich wollen. Tja, er hat mich durchschaut. Ich will eh nicht aufhören, und ich fürchte, er fürchtet, ich schleppe ihn damit zu weiterer Tätigkeit mit. Recht hat er. Halb zog ich ihn, halb sank er hin. Aber wir brauchen ihn!
Das muss man schon sagen: hätten alle, die sich jetzt im Impfschimpfkonzert wichtig machen, seine Beiträge in der Seuchenkolumne gelesen, würden sie vielleicht anders reden. Ich weise aus aktuellem Anlass darauf hin, dass man, scrollt man in dieser Kolumne nach unten, dort sowohl in der Gesamtkolumne als auch in den Beiträgen Zangerles suchen kann . Man suche zum Beispiel nach Janssen, so heißt die Impfstofffirma von Johnson und Johnson, und man wird sehen, das Zangerle auf diesen Corona-Impfstoff schon hinwies, als unsere beamteten und selbsternannten Seuchenzamapanos noch nicht einmal wussten, dass sie auch diese Bestellung vermasseln können.
Diese Seuche hat ein paar sehr üble Dinge über unser Land gebracht.
Ich will keine Reihung an Miesigkeit aufstellen, denn wie der langjährige Viennale-Präsident und legendäre Filmproduzent Eric Pleskow, ein von den Nazis vertriebener Österreicher, den ich meinen Freund nenne durfte, zu sagen pflegte: Es ist überall ein bissl mies.
Außerdem ist die Reihung egal, denn alle drei Dinge, die ich heute als mies qualifiziere, hat Bundeskanzler Kurz über uns gebracht.
Miesigkeit 1. Erstens ist es schäbig, die Pandemie zu nutzen, um gegen Europa zu polemisieren. Nicht nur zu polemisieren, sondern in Allianz mit fragwürdigen illiberalen Rechten eine rücksichtslose Agenda zur Renationalisierung zu betreiben, die sogar einen alten schwarzen Loyalisten aus dem Stall von Novomatic, EU-Budget-Kommissar Johannes Hahn, dazu bringt Widerspruch anzumelden.
Die EU hat sich bei der Impfstoffstrategie nicht mit Ruhm bedeckt, aber ein Teil des Problems dieser mangelhaften Bedeckung waren EU-Chefs wie Kurz, die vollkommen auf jede Impfstrategie pfiffen, weil sie sich schon im Licht am Ende des Tunnels sonnten. Sie versuchten im Gegenteil, mit ihren Sparsamkeitssprüchen eine „Schuldenpolitik“, sprich kreditfinanzierte europäische Corona-Hilfe, möglichst klein zu halten und zu behindern. Immer im sicheren Oberwasser segelnd, dass die Länder des Südens nicht aus ihren Schuldenfallen entlassen werden dürfen; Schulden, die sie gern bei den Finanzinstitutionen des Nordens haben. „Koste es was es wolle“ galt natürlich nur für die nationale Tasche.
Österreich hat sich bei der Bestellung des Impfstoffs vergriffen, weil es unter anderem zuviel AstraZeneca Impfstoff bestellte, weil das der bei weitem billigste Impfstoff war – und die Kosten für Impfstoff zahlen die EU-Mitglieder selbst. AstraZeneca war aber deswegen so billig, weil er die ärmeren Länder der Welt instand setzen sollte, sich damit einzudecken. Das war zwingende Auflage bei der Finanzierung der Forschung. Vom globalen moralischen Impfdebakel ist hierzulande sowieso nie die Rede.
Miesigkeit 2. Ohne jede Ahnung in Impfstoffpolitik, -Strategie und Planung ernennt sich Kurz zum Impfstoffoberbeauftragten der Republik, bekommt aber angeblich nicht mit, was um ihn herum vorgeht. Zumindest tut er so. Es ist mehrfach bemerkt worden, was das bedeutet: Entweder hat er eine Ahnung und stellt sich nur blöd, dann ist er ungeeignet für sein Amt. Oder er hat wirklich keine Ahnung, was um ihn herum so läuft, kann aber nichts dagegen machen, dann ist er erst recht ungeeignet.
Miesigkeit 3. Im Wissen um seine trotz Abschmelzens noch immer herausragenden Umfragedaten nützt Kurz die krankheitsbedingte Abwesenheit von Gesundheitsminister Anschober, um diesen öffentlich per Pressekonferenz zu attackieren, indem er die Suspendierung von dessen Impfbeauftragten fordert. Diesen Clemens Martin Auer, ebenfalls seit beginn der Pandemie in der Seuchenkolumne kritisiert, hatte Kurz 2017 selbst zum mächtigen Gesundheitssonderbeauftragten in einem Ministerium gemacht, das er der FPÖ zwecks Verlotterung überlassen hatte.
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Der miese Stil des Sebastian Kurz ARMIN THURNHER — 17.03.2021
Das klappte gut: die einst von Pamela Rendi-Wagner geleitete Abteilung, unter anderem zuständig für Epidemiologisches, wurde wegradiert.
Angeblich handelte Auer in Brüssel eigenmächtig und brachte die Bestellstrategie der Regierung durcheinander, weil er auf eventuell verfügbare 100.000 Impfdosen nicht zugriff. Dass diese Regierung viel größere Gelegenheiten vorbeigehen ließ, ist in den Ministerratsprotokollen nachzulesen, wie der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried gestern feststellte. Ähnliches war in Brüssel zu hören. Wahrscheinlich hintergehen sie Kurz auch offen im Ministerrat, oder er passt auch dort nicht auf.
Die Anschober-Hackl-ins-Kreuz-Pressekonferenz wurde von den Grünen mit demonstrativer Gelassenheit quittiert. Das ist einerseits erstaunlich, wenn man sich an jene Pressekonferenz erinnert, wo alle, Minister Anschober inklusive, mit der Verlautbarung irgendeiner publicityträchtigen Bagatelle warten mussten, bis Herr Kurz persönlich aus Brüssel zurückgekehrt war. Andererseits wollen die Grünen nicht aus dem Koalitionsboot geworfen werden, weil Kurz sie zum Sprung ins Wasser zwingt. Würde er sie selbst über Bord werfen und bräche damit die dritte Koalition binnen weniger Jahre, wäre es mit ihm und seinen Miesigkeiten wohl vorbei.
So aber werden wir diesen Stil noch eine Weile erdulden müssen. Kurz hat ihn uns einst als neuen Stil verkauft. Jetzt stellt er sich als der miese Stil heraus. Nicht ein bisserl mies. Echt mies.
♣
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher
https://www.falter.at
Angeblich handelte Auer in Brüssel eigenmächtig und brachte die Bestellstrategie der Regierung durcheinander, weil er auf eventuell verfügbare 100.000 Impfdosen nicht zugriff. Dass diese Regierung viel größere Gelegenheiten vorbeigehen ließ, ist in den Ministerratsprotokollen nachzulesen, wie der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried gestern feststellte. Ähnliches war in Brüssel zu hören. Wahrscheinlich hintergehen sie Kurz auch offen im Ministerrat, oder er passt auch dort nicht auf.
Die Anschober-Hackl-ins-Kreuz-Pressekonferenz wurde von den Grünen mit demonstrativer Gelassenheit quittiert. Das ist einerseits erstaunlich, wenn man sich an jene Pressekonferenz erinnert, wo alle, Minister Anschober inklusive, mit der Verlautbarung irgendeiner publicityträchtigen Bagatelle warten mussten, bis Herr Kurz persönlich aus Brüssel zurückgekehrt war. Andererseits wollen die Grünen nicht aus dem Koalitionsboot geworfen werden, weil Kurz sie zum Sprung ins Wasser zwingt. Würde er sie selbst über Bord werfen und bräche damit die dritte Koalition binnen weniger Jahre, wäre es mit ihm und seinen Miesigkeiten wohl vorbei.
So aber werden wir diesen Stil noch eine Weile erdulden müssen. Kurz hat ihn uns einst als neuen Stil verkauft. Jetzt stellt er sich als der miese Stil heraus. Nicht ein bisserl mies. Echt mies.
♣
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Ihr Armin Thurnher
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